Momentan schießen sie wie Pilze aus dem Boden – Bilder von scheinbar unmöglichen Häkelprojekte, so schön und clean, so außergewöhnlich und kreativ. Bezaubernde Amigurumi, behäkelte Oberflächen und viele mehr locken auf Facebook, Etsy und Co die Kreativen aus der Reserve. SO ETWAS möchte ich auch häkeln!
Das Problem: Die eindrucksvollsten Bilder sind mit Künstlicher Intelligenz erstellt worden. Niemand hat sie gehäkelt und es gibt auch keine echten Anleitungen für diese Objekte.
Kurzer Ausflug in die Künstliche Intelligenz
Ganz vereinfacht gesagt hat “Künstliche Intelligenz” aus riesigen Datenmengen gelernt, die Struktur von menschlicher Sprache, von Bildern etc. zu analysieren. Bei einem großen Sprachmodell (LLM) wie ChatGPT von OpenAI könnte die Grundfrage sein, welches Wort auf ein bestimmtes Wort mit welcher Wahrscheinlichkeit folgt.
Ein ganz einfaches Beispiel:
Jemand sagt: Guten …
Uns ist klar: Hier folgt am wahrscheinlichsten ein “Morgen”, “Tag”, “Abend” oder “Appetit”. Keinesfalls ein “Fensterkitt”, “Schallplatte”, “Barbados” oder “Terminvereinbarung”. Sitzt die Person einer anderen im Restaurant gegenüber, vor sich die gefüllten Teller, hören wir mit hoher Wahrscheinlichkeit ein “Guten Appetit”. Auch der Kontext ist also wichtig.
Die KI geht ebenso vor. Sie entscheidet blitzschnell in unzähligen Einzelschritten, welches Wort auf das nächste folgen wird (oder welche Eigenschaften das nächste Pixel in einem Bild hat) und beachtet dabei den Kontext. Sie hat jedoch kein Verständnis von dem, was sie dort verarbeitet. Sie erkennt lediglich Muster und Wahrscheinlichkeiten, basierend auf den Daten, mit denen sie trainiert wurden.
KI tut niemals etwas von sich aus, sondern braucht immer einen Anstoß, einen Befehl, der schon den ersten Kontext liefert. Und sie führt eine Art Wahrscheinlichkeitsrechnung durch. Dank neuronaler Netze können auch Schritte gleichzeitig ausgeführt werden, ähnlich wie im menschlichen Gehirn.
Häkelanleitungen mit Künstlicher Intelligenz erstellen?
Dieser kleine Einblick in die Funktionsweise macht klar, dass KI höchstens zufällig ein funktionierendes Häkelmuster erstellen kann. Wenn die meisten Anleitungen mit einem Fadenring beginnen, wird auch die KI ein Häkelmuster ausgeben, das mit einem Fadenring beginnt. Wenn es Zunahmen und Abnahmen in den meisten Anleitungen gibt, wird auch das Häkelmuster der KI Zunahmen und Abnahmen enthalten. Aber nicht, weil die KI “weiß”, dass für ihr “geplantes Objekt” solche Schritte notwendig sind, sondern einfach, weil sie die Struktur von Häkelanleitungen im Zuge ihres Trainings gelernt hat.
Was passiert nun aber, wenn “findige” Nutzer von KI quasi auf Knopfdruck Anleitungen erstellen lassen? Es kommt in der Regel nichts Gutes dabei heraus. Niemand hat die Maschen wirklich gezählt, Fehler gemacht und sie korrigiert, verschiedene Entwürfe verglichen. Es ist ein zufälliges Ergebnis.
Häkelanleitung von Künstlicher Intelligenz im Praxistest
Ich habe mir selbst nicht die Mühe gemacht, eine KI Anleitung zu häkeln, doch auf dem YouTube Kanal von Elise Rose Crochet wird ein solches Experiment durchgeführt:
Die Erstellerin lässt sich dafür von ChatGPT ein Häkelmuster für einen “Amigurumi Wal” erstellen. Ein Häkelmuster wird erstellt. Sie kopiert dieses Häkelmuster und lässt von ChatGPT ein Bild erstellen, das das fertige Ergebnis zeigen soll. ChatGPT erstellt ein Bild von einem gehäkelten Wal. Also erkennt die KI aus ihrer eigenen Anleitung, was beim Häkeln entstehen soll?
Nein!
Der Bildbefehl an die KI lautet: Gib mir ein Bild von dem gehäkelten Wal, der aus dieser Anleitung entstehen soll.
Natürlich erstellt die KI ein Bild von einem gehäkelten Wal! Jedoch nicht, weil es die Anleitung “in Gedanken ganz schnell” durch gehäkelt hat oder ein Verständnis für den Vorgang besitzt, sondern weil das der Befehl war.
Das Beste kommt aber: Die YouTuberin häkelt die Anleitung nach! Dabei muss sie dauernd Korrekturen vornehmen und erhält anschließend etwas “Wal-artiges”, aber wahrscheinlich nur, weil sie wusste, was entstehen soll 🙂
Hier ist ein Screenshot von Minute 7:23 aus dem Video:
Etwas in dieser Art hatte die KI allerdings bei der Bilderstellung “imaginiert”:
KI Häkelanleitung im Praxistest, Teil 2
Was passiert nun, wenn ich der KI eine echte, von einem Menschen erstellte Häkelanleitung gebe und sie auffordere, ein Bild von dem Objekt zu erstellen, das beim Häkeln entsteht? OHNE ihr zu sagen, dass es sich um einen “blauen Wal” oder ein “Kätzchen” handelt?
Das habe ich ausprobiert!
Zunächst habe ich nach einer Anleitung gesucht und bei Wolle Rödel eine Anleitung für ein Kätzchen gefunden. So sieht es aus, wenn es gehäkelt wurde:
Dann habe ich ChatGPT das Häkelmuster gegeben und Folgendes angewiesen: Ich gebe dir eine Häkelanleitung und du erstellst ein Bild, was daraus entstehen wird (hier habe ich das Häkelmuster eingefügt, allerdings ohne Schlagworte wie “Katze” oder “Kätzchen”).
Folgende Schlagworte in der Anleitung werden wohl dafür verantwortlich gewesen sein, was die KI “sich für ein Bild gemacht hat”: Bein und Körper, Den Faden in Creme unter den M in Aprikot weiterführen, Kopf, In Schwarz mit 2 Stichen ein X als Nase und Mund über die 8. – 10. Rd aufsticken. Die Enden für die Nase sollten 1 M und die für den Mund 3 M auseinanderliegen.
ChatGPT hat geantwortet:
Basierend auf dieser Häkelanleitung stelle ich mir ein niedliches kleines Stofftier mit runden, weichen Formen vor, das einen harmonischen Farbübergang zwischen Apricot und Creme aufweist. Hier sind die charakteristischen Merkmale:
- Form: Ein Körper mit kurzen Beinen und einem relativ kleinen Kopf, dessen Größe proportional zum restlichen Körper ist. Die Beine und Arme sind eher stummelig, was dem Stofftier ein kindliches und verspieltes Aussehen verleiht.
- Kopf und Gesicht: Der Kopf ist leicht oval, mit einem simplen Gesicht. Die Augen sind aufgestickt und der Mund besteht aus einem simplen “X” für die Nase und Mundpartie, was typisch für einfache und niedliche Stofftiere ist. Zwei kleine Ohren sitzen auf dem Kopf, und der Schwanz ist an der Rückseite des Körpers befestigt.
- Farben: Der Körper wechselt in Streifen von Apricot zu Creme. Diese Farben wechseln sich harmonisch ab, wobei die Farbwechsel dem Stofftier einen leichten, warmen und weichen Charakter verleihen.
- Textur: Die Oberfläche ist vollständig gehäkelt, wodurch eine leicht raue, aber dennoch gemütliche Textur entsteht.
- Zusatzdetails: Kleine Details wie aufgestickte Schnurrhaare und Ohren verleihen dem Tier zusätzliche Niedlichkeit. Der Schwanz ist flach gehäkelt und liegt eng am Körper an.
Ich erstelle jetzt eine visuelle Darstellung des fertigen Stofftieres.
Wir sehen an diesem einfachen Beispiel, dass die KI aus unseren Worten Schlussfolgerungen gezogen hat, nicht jedoch die Anleitung selbst “verstanden” hat.
Was lernen wir daraus?
1. Wenn das Bild zu schön ist, um wahr zu sein, ist es nicht wahr.
2. Wenn dir jemand eine Anleitung verkaufen will, die ein solches “zu schön um wahr zu sein” Objekt ergeben soll, ist es nicht wahr.
3. Unzählige von KI erstellte Anleitungen fluten das Netz, sind auf vielen Webseiten und sogar bei etsy zu finden.
4. Wenn solche Anleitungen nicht funktionieren, liegt es nicht an dir!
5. Teilt oder likt solche Bilder nicht. Auch Kommentare nutzen nichts, denn die kritischen werden gelöscht.
Echte Häkelanleitungen
Eine Anleitung zu erstellen, ist extrem aufwändig. Selbst, wenn man ein Teil schon öfter gemacht hat, ist das Erstellen selbst sehr viel Arbeit. Der Preis für solchen Anleitungen ist die Wertschätzung der Arbeit!
Hier habe ich ein paar Etsy-Shops ausgesucht, die tolle Anleitungen verkaufen (Werbelinks):
Einer meiner liebsten Shops!
Wenn ihr hier die Bilder betrachtet, fällt euch der Unterschied zu den sterilen KI Bildern sicherlich auf! Hier noch mal zwei KI Bilder zum Vergleich:
Ich hoffe, ihr hattet Freude beim Lesen! Dinge selbst zu tun ist eine der Sachen, die KI uns keinesfalls nehmen kann 🙂
Dieser Beitrag wurde von mir selbst geschrieben, ich habe drei Stunden damit verbracht. Danke für deine Zeit!