Ein Schal war das erste, das ich jemals gestrickt habe – und zwar in der Schule. Schlaufuchs, der ich war, habe ich mir eine sehr dicke Wolle ausgesucht, um schnell fertig zu werden. Hier, wo Vorstellung und Realität kollidierten, litten meine kleinen Finger und meine Geduld an der Handhabung von Nadeln Nummer Acht. Eine Lösung war schnell gefunden – ich ließ einfach andere an meinem Werk stricken. Hier mal eine Nachbarin, dort eine Verwandte – es ging zügig voran. Das Ergebnis war jedoch eher eine Berg- und Talfahrt, eine Mischung aus ausufernder Breite und beklemmender Straffheit.
So entstand ein Strickstück, das schließlich ein Schattendasein zwischen Lavendelsäckchen und verwaisten Vorder-, Rück- und Ärmelteilen führte – oder durch das gnadenlose Aufribbeln in einen neuen Inkarnationszyklus eintrat, ohne Garantie, dass es jemals mehr sein würde als genau das: ein Platzhalter in der ewigen Wollevolution.
Seither stricke ich lieber selbst. Nur beim Entwirren lasse ich mir weiterhin gern helfen. Wie im richtigen Leben!
Dicke Nadeln sind jedoch nach wie vor meine heimliche Leidenschaft. Bei meinem jüngsten Projekt – einem Schal, natürlich – entschied ich mich trotz aller Empfehlungen für Nadeln der Stärke Sechs. Und siehe da, das Ergebnis war eine unerwartet kuschelige Weichheit, fast als hätte ich damit die groben Fehler meiner Anfängerzeit sanft in Wolle gewickelt und in etwas Schöneres transformiert. Ein Schal, der nicht nur warm hält, sondern sich auch ein bisschen anfühlt wie ein Neuanfang.
Das Garn ist Gomitolo Arte 1016 – und es gibt viele weitere tolle Farben, von denen ich natürlich schon einige gebunkert habe.
Warum Stricken ein kleines Abenteuer ist – und bleibt
Stricken ist für mich mehr als nur eine Handarbeit. Es ist ein Mikrokosmos, in dem Geduld und Kreativität, Erfolg und Scheitern so dicht beieinanderliegen wie Masche an Masche. Jeder, der je einen Knoten aus Wolle entwirrt hat, weiß: Es ist wie Meditation – nur mit dem kleinen Nervenkitzel, dass am Ende ein Loch im Muster lauern könnte.
Doch gerade das macht es so charmant. Manchmal hat eine unperfekte Reihe mehr Charakter als ein makelloses Stück. Es erzählt von einem schlechten Tag, an dem die Konzentration flöten ging, oder von einem Moment, in dem der Gedanke „Ach, das merkt doch keiner“ triumphierte.
Und es gibt diese magischen Augenblicke, in denen alles stimmt: Das Garn gleitet wie von selbst über die Finger, die Nadeln klackern in beruhigendem Rhythmus, und am Ende des Abends hält man etwas in den Händen, das mehr ist als nur Wolle. Es ist ein Stück Zeit, eingefangen und mit Leben gefüllt.
Wenn ich heute stricke, denke ich oft an meinen ersten Schal zurück. Nicht an die Fehler, sondern an das Gefühl, etwas Eigenes zu schaffen – auch wenn es nur mithilfe anderer halbwegs gelungen ist. Dieses Gefühl bleibt. Und vielleicht ist das der wahre Grund, warum ich immer wieder zu den Nadeln greife.